Leiden wir an Realitätshunger? Der Autor David Shields hat vor einigen Jahren in seinem Manifest Reality Hunger darauf bestanden, das wir Kunst nicht mehr erleben können, wenn sie nicht mit Realitätsdosen gespickt ist. Der Film hat ebenfalls Probleme einem bildsatten Publikum Neues zu bieten, wenn er nur auf die nächsten special effects setzt. Aber wie wird das Reale im Film repräsentiert? Und kommt nicht doch am Ende meistens Kunst dabei heraus?
Die Filmreihe REALLIE macht eine Entdeckungsreise durch filmische Realitäten vom frühen sowjetischen Film über das Mockumentary bis zu neuen Formen, die das Genre des Biopic auseinander nehmen. Die Vorführungen werden von einem kurzen Einführungsvortrag begleitet, die den Film jeweils nach seinem Verhältnis zu Fakt und Fiktion hinterfragen.
Projektteam:
- Dr. Nicole Falkenhayner
- Florian Fromm
- Bettina Korintenberg
- Jun.-Prof. Dr. Stephan Packard
Weitere Texte:
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Programm
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- Do 15.01.2015, 18:00
Vernissage: Fragmente einer Realität
Eine interaktive Kunstausstellung von und über Freiburger Mädchen und Frauen der Fotografin Runa Hansen7 Gesichter, 7 Geschichten. Die Realitäten der Beteiligten werden unterteilt in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Für jeden Zustand wird, basierend auf den Erfahrungen und dem Selbstbild der Portraitierten, ein Motiv mit der passenden Kunstform ausgearbeitet. Die Bilder sind weder den Portraits zugeordnet, noch wird durch die Platzierung die zusammenhängende Geschichten erzählt – das ist dem Betrachter überlassen. Dadurch entstehen nicht nur neue Geschichten, sondern der Betrachter kann, durch seine Schlussfolgerungen, Interpretationen und dem Moment der Selbstreflektion, vor allem sich selbst besser kennenlernen.
- Do 15.01.2015, 18:00
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- Do 15.01.2015, 19:30
This Ain’t California
Deutschland 2012
Regie: Marten Persiel
Wdh. So 18.01.2015, 17:30Die Geschichte der Skaterszene in der DDR. Durch Archivbilder aberwitziger Rollbrettkonstruktionen der 80er Jahre, Super8-Aufnahmen artistischer Skateeinlagen auf dem Berliner Alexanderplatz und Originaltöne verrückter Freigeister ihrer Zeit, hat die dokumentarische Erzählung von Filmemacher Marten Persiel einer freiheitsliebenden Subkultur ein sehr unterhaltsames Denkmal gesetzt. Leichtfüßig, mit kraftvollem Soundtrack, heiter erzählt. Verrückte Geschichten, die das Leben schreibt… oder wurden sie viel mehr von Autor und Regisseur Persiel selbst geschrieben?
Nachdem der Regisseur freiheraus erzählte, dass ein großer Teil der Super8-Aufnahmen extra für den Film gedreht wurden, der traurige Anlass für ein heutiges Wiedersehen der alten Skatergemeinde im Film frei erfunden ist und sogar maßgebliche Akteure von Schauspielern verkörpert werden, begann Kritik laut zu werden. Der Film macht Spaß und wir zeigen ihn sehr gerne. Wir freuen uns aber ebenso, dass Marten Persiel unser Gast sein wird und nach dem Film mit dem Publikum über seinen Film und seine Herangehensweise an das dokumentarische Filmemachen sprechen wird.
- Do 15.01.2015, 19:30
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- Do 22.01.2015, 19:30
F for Fake
mit kurzer Einführung
Frankreich, Deutschland, Iran 1973
Regie: Orson WellesEs gibt wenig Filme, die mit Orson Welles’ F for Fake vergleichbar sind. Rund um die absurd-witzige Geschichte um den berühmten Kunstfälscher Elmyr de Hory und den Tagebuchfälscher und Biographen Clifford Irving, entspinnt sich ein genialer Filmessay rund um die Fragen von Wahrheit, Lüge, Kunst und Fälschung. Durch die geschickte Montage von Filmausschnitten und Scheindokumentationen beschreibt der große Filmemacher Welles die Methoden der Medien, Individuen und Massen zu manipulieren und die Unmöglichkeit, zwischen Realität und Illusion zu unterscheiden.
- Do 22.01.2015, 19:30
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- Do 29.01.2015, 19:30
I’m Not There
mit kurzer Einführung
USA, Kanada, Deutschland 2007
Regie: Todd Haynes
Wdh. Sa 31.01.2015, 21:30Während das Leben verschiedener, realer Musiklegenden jährlich in monumentalen Biopics marktgerecht und mit viel Drama auf die großen Leinwände gebracht wird, wählte Regisseur Todd Haynes für seine Annäherung an Bob Dylan einen ganz anderen Weg. Geblieben ist ein fantastisches Starensemble an Schauspielern, bei dem jede und jeder Einzelne eine andere Facette des berühmten Musikers verkörpert. Eine postmoderne, raffiniert verschachtelte und herrlich unkonventionelle Filmbiografie entsteht. Selbst so facettenreich und widersprüchlich wie sein Gegenstand, porträtiert I’m Not There Bob Dylan als faszinierend vielfältige Persönlichkeit, als charismatischen, rätselhaften, widerspenstigen Star, der in keine Kategorie passt: Kaum glaubt man, ihn verstanden zu haben, ist er schon weitergezogen und längst ein Anderer. Der Film wurde in Vendig mit dem silbernen Löwen ausgezeichnet und Cate Blanchett für ihre Darstellung Dylans für den Oscar nominiert.
- Do 29.01.2015, 19:30
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- Do 05.02.2015, 19:30
Der Mann mit der Kamera
Stummfilm mit Live-Musik und
kurzer Einführung
UdSSR 1929
Regie: Dsiga WertowEines der erstaunlichsten Filmdokumente seiner Zeit. Vertov dokumentiert den Tagesablauf einer großen sowjetischen Stadt und legt seinen Film als wegweisendes Experiment an. Er verzichtet auf narrative und inszenierend-gestaltende Elemente und setzt allein auf die Wirkung der Montage. Filme sollten nach Vertows Überzeugung generell und ausnahmslos das “Leben so zeigen, wie es ist”; jede Art von Inszenierung war ihm Verfälschung und nur Verdummung des Publikums. Der Mann mit der Kamera ist ein filmisches Manifest, von dessen avantgardistischem Wagemut das Kino als Kunstform weiterhin zehrt.
- Do 05.02.2015, 19:30
- Do 12.02.2015, 19:30
Synecdoche, New York
mit kurzer Einführung
USA 2008
Regie: Charlie KaufmanDer Theaterregisseur Caden Cotard lebt in der Kleinstadt Schenectady im Bundesstaat New York. Als er eines Tages ein seltsames Augenleiden feststellt, ist dies der Auftakt zu einer Serie von mysteriösen Nervenkrankheiten, die seine Körperfunktionen außer Kraft zu setzen scheinen. Dann verlässt ihn auch noch Ehefrau Adele mitsamt der gemeinsamen Tochter Olive in Richtung Berlin, wo sie eine hippe Künstlerexistenz beginnt. Cadens Leben ist offenbar völlig aus den Fugen. Irgendetwas muss geschehen. Also mietet er sich für das neue Stück seiner Theatergruppe ein riesiges leerstehendes ehemaliges Kaufhaus mitten in New York. Nach und nach bastelt er darin eine Nachbildung der realen Welt mit Schauspielern, die darin ein fiktionales Leben leben. Drehbuchautor Charlie Kaufman (Being John Malkovich, Adaption, Vergiss mein nicht) gilt als einer der raffiniertesten Storyteller Amerikas. Seine Stoffe beschäftigen sich meist mit den fließenden Grenzen zwischen vermeintlicher, im Film konstruierter Realität und abstruser Traumwelt. Zum Abschluss der Reihe REALLIE – filmische Realitäten liefert dieser Film mit Philip Seymour Hoffman die Grundlage zu einer Diskussion über die Metaebene von Realitätskonstruktionen im Film und ist dabei einfach wahnsinnig unterhaltsam.